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Pronomen und grammatisches Geschlecht in anderen Sprachen

Grammatisches Geschlecht gibt es in vielen Sprachen der Welt, darunter allen indoeuropäischen Sprachen außer Englisch, Afrikaans, Persisch und ein paar kleineren indischen Sprachen. Aber selbst Englisch und Afrikaans kennen unterschiedliche Personalpronomen der dritten Person Singular für Männer und Frauen.

Dadurch besteht in all diesen Sprachen für nichtbinäre Menschen das Problem, dass es schwierig ist, sich grammatisch korrekt auf sie zu beziehen.

Im Folgenden sollen vorgeschlagene oder bereits angewandte Lösungen für einige dieser Sprachen aufgelistet werden.1)

Germanische Sprachen

Englisch

Im Englischen gibt es bereits viele Vorschläge für geschlechtsneutrale Personalpronomen. Um weitesten verbreitet ist »singular they«, also die Verwendung der - geschlechtsneutralen - Pluralform »they« (mit der Pluralform des Verbs). Dies ist bei abstrakten Aussagen seit Jahrhunderten üblich, auch wenn dies in vielen Grammatikbüchern als falsch eingestuft wurde und zum Teil noch wird. Manche verwenden es heute auch bei bestimmten Menschen, deren Geschlecht unbekannt oder nichtbinär ist. Das ist aber nicht unumstritten, und es gibt zahlreiche andere Vorschläge, deren ältester »thon« ist (Ursprung zwischen 1858 und 1884; Genitiv und Possessivpronomen »thons«, Objektform »thon«), von denen es aber inzwischen unübersichtlich viele gibt (ey, co, per, xe, ze,…)

Schwedisch

Im Schwedischen gibt es zwei grammatische Geschlechter, Neutrum und Utrum (letzteres als Verschmelzung von Femininum und Maskulinum), aber für Menschen gibt es unterschiedliche Personalpronomen der dritten Person Singular, »hon« für Frauen und »han« für Männer. In den letzten Jahren hat sich das geschlechtsneutrale »hen« immer mehr durchgesetzt, das auch für nichtbinäre Menschen verwendet werden kann. Der Genitiv lautet »hens«, die Objektform meistens einfach »hen«, aber es gibt auch abweichende Formen.

Dänisch und Norwegisch

»Hen« wird von nichtbinären Personen auch in Dänemark und Norwegen verwendet, ist aber sonst nicht sehr verbreitet. In Dänemark gibt es auch die Formen »hæn« und »høn«.2)

Isländisch

Isländisch hat dieselben drei Genera und vier Kasus wie das Deutsche, unterscheidet allerdings anders als das Deutsche auch im Plural nach Genera. Im Isländischen wurde parallel zum schwedischen »hen« das Pronomen »hán« geprägt, das zumindest unter Nichtbinären beliebt ist (Genitiv »háns«, Dativ »háni«, Akkusativ »hán«). Im Plural ist es von jeher üblich, zum Ausdruck von Geschlechtsneutralität das Neutrum zu verwenden (»það«); das halten daher auch nichtbinäre Menschen so.

Abgesehen von »hán« für die dritte Person Singular wird empfohlen, das Neutrum zu verwenden (z.B. für Adjektive), wohl weil es den Isländern unmöglich schien, für alle möglichen Wortarten und Endungen geschlechtsneutrale Entsprechungen zu finden.3) Dies ist ein interessanter Kompromiss, bei dem für das häufige und wichtige Personalpronomen der dritten Person Singular ein neues Wort verwendet aber im Übrigen doch auf das Neutrum ausgewichen wird.

Niederländisch

Das Niederländische hat drei Genera, aber die weitaus meisten Formen sind für Maskulinum und Femininum identisch, weswegen die Sprache sich einer Situation wie im Schwedischen annähert. Es ist daher leicht möglich, geschlechtsspezifische Formen zu umgehen. Z.B. ist es möglich, statt »hij« (»er«) und »zij« (»sie«) das Demonstrativpronomen »die« (sowohl »der« als auch »die« im Deutschen) zu verwenden. Daneben sind in nichtbinären Kreisen auch Neopronomen wie »hun« (eigentlich eine Plural-Objektform, also an das englische »they« angelehnt) im Umlauf.

Romanische Sprachen

Romanische Sprachen sind ein besonders schwerer Brocken, weil es in der Regel nur zwei Genera gibt (Femininum und Maskulinum), das aber sowohl im Singular als auch im Plural. (Latein hatte übrigens noch drei Genera, aber wenn Latein auch von manchen noch heute verwendet wird, ist es naturgemäß heikel, dabei moderne Neologismen zu benutzen. Für »Enby« kann eins »nebinium« gebrauchen und dann im Neutrum darauf Bezug nehmen; das sollte aber nie als bekannt vorausgesetzt, sondern bei der ersten Verwendung erläutert werden, wenn es sich nicht schon klar aus dem Kontext ergibt.)

Französisch

Das häufigste Neopronomen ist »iel« (auch »yel« geschrieben), was ein Mischung aus weiblich »elle« und männlich »il« ist (Plural »iels« statt »elles«/»ils«), die Objektform ist meist »li« (statt »la«/»le«). Bei den Adjektiven und Substantiven wird oft im Schriftbild gemischt und z.B. ein Hochpunkt zwischen der männlichen Form und der angehängten weiblichen Endung verwendet (»étudiant·es«). Manche verwenden auch Formen mit »x«. Es ist aber bei vielen dieser Formen schwierig, hierfür eine vernünftige ebenso »neutrale« Aussprache zu finden.4)

Spanisch

Im Spanischen ist es etwas einfacher als im Französischen, weil nicht nur das Femininum seinen typischen Endvokal hat (a), sondern auch das Maskulinum (o). Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, durch was diese Vokale ersetzt werden können, seien es Sonderzeichen (@, æ, Ⓐ) oder gewöhnliche Buchstaben (e, i, u, x). Insbesondere das e bietet sich an, weil es bereits eine Reihe von Wörtern mit e gibt, die sowohl männlich als auch weiblich sein können. Das Personalpronomen dritter Person (Maskulinum »el«, Femininum »ella«) wird dann zu »elle« oder »ele« (Plural »elles« bzw. »eles«), und mit anderen Wortarten geschieht es ähnlich (»amigos«, »amigas«, »amigues«).

Slawische Sprachen

Slawische Sprachen haben in der Regel drei Genera, wie im Deutschen. Viel ist nicht über Versuche bekannt, nichtbinäre Formen in slawischen Sprachen zu entwickeln. Im Russischen verwenden manche das Neutrum, was aber problematisch ist, weil das Russische nicht nur nach den drei Geschlechtern unterscheidet, sondern (im Akkusativ) auch nach den Kategorien »belebt« und »unbelebt«, wobei diese Unterscheidung im Neutrum normalerweise nicht stattfindet, was bei der Verwendung des Neutrums für eine Person den Eindruck verstärken kann, dass diese »unbelebt«, also eher eine Sache ist. Entwickelt wurden aber jedenfalls schon Formen der Anrede und des Vatersnamens: Entsprechend der Anrede »Herr« (»господин«/»gospodin«) oder »Frau« (»госпожа«/»gosposha«) gibt es »госпожне«/»gosposhnje«). Russen haben zwischen Vor- und Nachnamen einen Vatersnamen, der aus dem Vornamen des Vaters mit dem Suffix »-ович«/»-owitsch« oder »-евич«/»-jewitsch« für Männer und »-овна«/»-owna« oder »-евна«/»-jewna« für Frauen gebildet wird. Nichtbinäre Suffixe sind »-овче«/»-owtsche« bzw. »-евче«/»-jewtsche«, »-овчен«/»-owtschen« bzw. »-евчен«/»-jewtschen« und »-ови«/»-owi« bzw. »-еви«/»-jewi«.

Sonstiges

Viele nicht-indoeuropäische Sprachen kennen kein Genus und deswegen auch keine geschlechtsspezifischen Pronomen. So z.B. das Finnische, das ein einziges Pronomen »hän« für »sie« und »er« kennt.

Interessant ist der Fall des Chinesischen. Das Chinesische hat das geschlechtsneutrale Personalpronomen der dritten Person Singular »tā«, welches früher unabhängig vom Geschlecht der betreffenden Person »他« geschrieben wurde, wobei »亻« eine Nebenform des Schriftzeichens »人« ist, das »Mensch« bedeutet. Durch europäischen Einfluss wurde dann als weibliche Form das Schriftzeichen »她« erfunden, in dem das Zeichen »女« für »Frau« enthalten ist, Dadurch wird »他« nun meist als männlich angesehen und fehlt ein wirklich neutrales Zeichen. Manche Chinesen schreiben deswegen einfach »TA« in lateinischen Buchstaben.

pronomen_und_grammatisches_geschlecht_in_anderen_sprachen.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/07 14:20 von mesengerman